Bundesregierung entlarvt sich mit ihrer Inklusionsshow selbst

Betroffene dürfen bei den Inklusionstagen nur zuschauen
Mit gemischten Gefühlen sage ich für die Inklusionstage der Bundesregierung 2016, 10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention zu. Das KSL stelle ich als gutes Beispiel im Workshop Beratung und Partizipation gerne vor. Das Abfeiern unserer Bundesregierung, wie weit Deutschland in Sachen Inklusion schon gekommen ist, möchte ich eigentlich nicht miterleben. Zumal die UN-BRK nach meiner Rechnung in Deutschland erst sieben Jahre Gültigkeit hat.
Aber es kommt anders und die Inklusionstage werden noch ein richtiger Erfolg. Haben die Inhalte überzeugt? War das Programm unschlagbar? Mitnichten. Die Inklusionstage 2016 zeigen, dass die Betroffenen laut sind und sich nicht mehr von schönen Inklusionsreden einlullen lassen.
Betroffene mischen sich ein
Der ganze Spaß beginnt mit dem obligatorischen Protest gegen das Bundesteilhabegesetz (BTHG) vor der Veranstaltung. Mit 50 anderen und Freya der Freiheitsstatue machen wir deutlich, was wir vom BTHG und dem Vorgehen der Bundesregierung halten. Nämlich nichts.
Das Auffälligste im Programm der Inklusionstage: Es fehlen die behinderten Menschen! Aus der Vertretung der Betroffenen ist niemand auf dem Podium vertreten. Und so machen sich die Betroffenen auf ihre Art bemerkbar: Ich habe noch keine so unruhige Veranstaltung erlebt und bin stolz auf das kritische Publikum. Beinahe die gesamte Veranstaltung Inklusionsshow wird lautstark kommentiert, es fallen kritische Äußerungen und offene Ablehnung. Das gab es einige Jahre zuvor so noch nicht.
Statt also die Meinung der Betroffenen in die Diskussion zu holen, müssen wir uns von der derzeitigen Vorsitzenden des Deutschen Behindertenrat Ulrike Mascher die Errungenschaften im BTHG-Entwurf vorbeten lassen. Die größte Frechheit müssen wir uns von der Vertreterin der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände anhören: Die alleinerziehende Supermarkt-Kassiererin, die ja schließlich unsere finanziellen Forderungen mittragen müsse, wurde ja auch nicht am Verfahren beteiligt.Rückfragen ans Podium sind übrigens nicht zugelassen.
Bei der Vorstellung der Studie zum Wahlrecht behinderter Menschen schließlich hat die kritische Masse Gelegenheit, ihre Stimme zu erheben. Das tut sie und kritisiert vor allem die Unterscheidung von Menschen nach kommunikations- sowie assistenzfähig bzw. -unfähig. Die vier verantwortlichen Wissenschaftler_innen werden immer kleiner, während das Publikum aus ganz unterschiedlichen Bereichen harsche Kritik an der Studie abfeuert. Die Politik (Corinna Rüffer, Grüne, Uwe Schummer CDU und Gabriele Lösekrug-Möller, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium) als eigentlicher Adressat der Forderungen entzieht sich allerdings dem Podium – offiziell, um der Diskussion mit den Wissenschaftler_innen mehr Zeit einzuräumen.
Schließlich spreche ich Gabriele Lösekrug-Möller an, wie es denn sein könne, dass solch eine Veranstaltung ohne Beteiligung von uns Betroffenen durchgeführt werde. Die Unruhe im Publikum insbesondere beim Thema BTHG hätte den Unmut ja deutlich gezeigt. Das Podium habe Gabriele Lösekrug-Möller nicht persönlich zusammengestellt, sie gäbe den Hinweis aber gerne weiter. Die Erwähnung des BTHG lässt ihren Ton härter werden. Zum Beteiligungsprozess stehe sie ganz anders. Ja, das ist mir klar.
Mein Fazit zu sieben Jahren UN-BRK: Wir sind laut. Wir sind undankbar. Wir halten zusammen. Und wir haben noch viel zu tun.
Sandra Meinert, KSL Köln
Link zur Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht von Menschen mit Behinderung
Die Dokumentation der Inklusionstage wird demnächst hier veröffentlicht