Dass es fünf vor zwölf war, Zeit um aufzuwachen, wurde den Menschen auf dem Wallrafplatz am Donnerstag abrupt klargemacht. Rund 80 Personen, behinderte und nicht-behinderte, hatten sich zu einem Flashmob in der Kölner Innenstadt versammelt und ließen ihre mitgebrachten Wecker erklingen. Mit Megaphonansagen, Flyern und persönlichen Gesprächen wurde den Bürgerinnen und Bürgern erklärt, dass der Protest sich gegen den aktuell diskutierten Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) für ein Bundesteilhabegesetz (BTHG) wandte. Die vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben (KSL) Köln organisierte Aktion wurde von einem breiten Bündnis der Behindertenselbsthilfe unterstützt. Unter dem Motto „Die Zeit ist reif – Teilhabe jetzt!“ fanden bundesweit zeitgleich mehrere Flashmobs statt (Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, Mainz, Kassel, Trier, Köln).
Das Bundesteilhabegesetz soll am 1. Januar 2017 mit dem Ziel verabschiedet werden, die Situation der Menschen mit Behinderung in Deutschland zu verbessern. Das KSL Köln und viele weitere Akteure aus der Behindertenselbsthilfe stehen dem aktuellen Entwurf jedoch kritisch gegenüber. Unter anderem wird bemängelt, dass das ursprüngliche Vorhaben Menschen mit wesentlicher Behinderung aus dem bisherigen Fürsorgesystem herauszulösen, scheinbar aufgegeben wurde. Die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit Teilhabeleistungen zu teilen, wird als unakzeptabel bewertet. Damit könnten Menschen mit Behinderung beispielsweise verpflichtet werden, sich eine Assistenzperson zu teilen. Kritik wird ebenfalls daran geübt, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe vom Einkommen und Vermögen der berechtigten Menschen abhängig gemacht werden, sowie an der Einschränkung des allgemeinen Wunsch- und Wahlrechts, die die Individualisierung der Leistungen begrenzt. Ende April wird ein neuer Gesetzentwurf des BMAS erwartet.
Artikel des Kölner Stadt-Anzeigers zum Flashmob.
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